
Bäckereifachverkäufer, Bankkaufmann, Gastronom, Mediziner, Zeitsoldat … Immer mehr Menschen mit unterschiedlichen professionellen Hintergründen wollen ihren Beruf gegen den Bestatteralltag eintauschen. Vielleicht gerade, weil von Alltag nicht die Rede sein kann?
„Die Beweggründe für eine berufliche Umorientierung sind ganz unterschiedlich“, sagt Stephan Neuser, als Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter e.V. auch für die Ausbildung von Bestattungsfachkräften verantwortlich. „Meist gibt es einen Berührungspunkt durch einen Trauerfall in der eigenen Familie oder eine andere Situation, in der die Vielfalt des Bestatterberufs deutlich wurde, der endlich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.“ Nach Neusers Ansicht hat die qualifizierte Ausbildung zur Bestattungsfachkraft seit 2003 mehr zur Wahrnehmung des Berufs in der Öffentlichkeit beigetragen als mediale Einflüsse von Filmen und Serien wie „Six feet under“. „Wechselte man früher noch schnell die Straßenseite, wenn man einen Bestatter sah, hat sich dies mittlerweile komplett geändert. Der Beruf ist hinsichtlich des sozialen Aspekts genauso im Fokus wie der einer Hebamme.“ Schon die 1.400 erfolgreichen Absolventen tragen durch Berichte im Freundes- und Familienkreis viel dazu bei, dass Hemmschwellen überwunden und Gespräche angeregt werden.
Bestatter sind keine Exoten mehr
Auch Peter Wilhelm, Autor des Bestatter-Weblogs berichtet von täglichen Zuschriften von Interessenten am Bestatterberuf. „Bestatter kann im Grunde jeder werden, Gewerbeanmeldung genügt“, schreibt er in Bezug auf die formalen Voraussetzungen und zählt weitere Grundvoraussetzungen für einen (Quer-)Einstieg auf:
-Mindestalter 18 Jahre
-PKW-Führerschein
-körperlich und seelisch belastbar
-höchste zeitliche Flexibilität
-Bereitschaft zu Schicht-, Nacht- und Wochenenddienst
-sehr gutes Deutsch
-gutes kaufmännisches Rechnen
-handwerkliche Begabung
-Gefühl für Gestaltung und Dekoration
-PC-Kenntnisse
Allerdings sei der Beruf des Bestatters in den letzten Jahrzehnten einem gewaltigen Wandel von einem Nebenzweig des Schreinerhandwerks und Fuhrunternehmers zu einem kaufmännischen Dienstleistungsberuf unterworfen, der durch Hinzunahme weiterer Tätigkeitsbereiche und Dienstleistungen ein hochkomplexes Berufsbild darstelle.
Viele Bestatter wurden und werden noch immer in den Beruf „hineingeboren“ und lernen das Handwerk von der Pike auf von ihren Eltern oder ihrem Vorgesetzten. Heraus kommt eine bunte Vielfalt verschiedener Ausrichtungen, Schwerpunkte und Unternehmensziele. Auf der einen Seite gibt es die „Jungen Wilden“, die den Tod ins lebendige Gespräch bringen wollen und vor allem auf Individualisierung setzen; auf der anderen die Billigbestatter, die eher für eine Entsorgungsmentalität als für eine würdevolle Abschiednahme stehen. Dazwischen tummelt sich eine bunte Vielfalt am Markt. Das belebt die Branche und bietet den Hinterbliebenen die Möglichkeit, den Bestatter zu finden, der zu ihnen passt.
Unterschiedliche Lebensläufe – mehr Vielfalt
Für Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratorium Deutsche Bestattungskultur, hat der Beruf „eine unglaubliche Attraktivität, die man jedoch richtig einordnen muss.“ Kaum eine andere Profession biete eine solche Möglichkeit eigene Fähigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten zu entfalten: Man müsse zupacken, einen Sarg ausschlagen können, löten, Grabmachertechnik beherrschen, aber auch kaufmännisch denken, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Man bewege sich in einem psychologisch sensiblen Bereich und sei ebenso kulturell-ästhetisch wie administrativ und rechtlich beratend tätig. Dies ziehe auch viele Menschen an, die in ihrem aktuellen Job nicht die erhoffte Erfüllung finden. Sie schätzen am Bestatterberuf vor allem die unmittelbare Rückmeldung von Angehörigen, die sie mit einem einfühlsamen Gespräch und einer würdevollen Bestattung bei der Abschiednahme unterstützen. Quereinsteiger kommen aus allen Gesellschaftsschichten, Altersstufen und Berufen. Interessanterweise sind es immer mehr Frauen, die den Beruf ergreifen wollen. Im aktuellen Ausbildungs-Jahrgang 2016 sind es 58 weibliche und 42 männliche Azubis. „Quereinsteiger sind nicht nur gewünscht, sondern auch Realität“, sagt Oliver Wirthmann und verweist auf die gesellschaftliche Entwicklung, in der lineare Berufswege zunehmend seltener werden. In den Bestatterberuf einbringen können Quereinsteiger unter anderem oft handwerkliche aber auch kaufmännische Qualifikationen aus dem vorigen Beruf oder einer anderen Ausbildung.
Hohe Erwartungen an einen vielfältigen Beruf
Um falschen Vorstellungen und übertriebenen Hoffnungen vorzubeugen, empfiehlt Stephan Neuser jedem Interessenten, ein Praktikum zu absolvieren. Immer wieder passiert es jedoch auch während der Ausbildung, dass Azubis feststellen, dass der Beruf nichts für sie ist: „Man muss zwischen Neigung und Eignung unterscheiden“, weiß Oliver Wirthmann. „Viele fühlen sich geneigt, aber nicht alle sind geeignet.“ Geschlecht und Alter seien dabei unerheblich. Doch hat Oliver Wirthmann schon die Erfahrung gemacht, dass zu viel jugendlicher Elan, gepaart mit noch mangelnder psychischer Reife ebenso problematisch werden können wie eine falsch verstandene Helferthematik. „Den Menschen etwas Gutes tun, im Gespräch sein, beraten, ein guter Mensch sein – auch das ist Teil des Berufs, aber nicht nur.“ Wenn es dann um die Versorgung oder Abholung gehe, hätten die romantischen Vorstellungen schnell ein Ende. Während diese Erwartungshaltung bei Frauen vorherrsche, legen einige Männer eine falsch verstandene Hemdsärmlichkeit und Niederschwelligkeit hinsichtlich des Themas Tod an den Tag. Andere wiederum verschätzen sich bei ihrer Belastungsgrenze angesichts der täglichen Konfrontation mit Trauer. Ein Praktikum im Vorfeld der Ausbildung öffnet Anwärtern rechtzeitig die Augen, sodass die Abbruchquote bei der Ausbildung sehr gering ist.
Quereinstieg – und dann?
Qualifizierte und generalistisch ausgebildete Bestatter, die ihr Handwerk mit all seinen Facetten beherrschen, erwartet ein recht offener Arbeitsmarkt – vorausgesetzt, sie sind örtlich flexibel. Dies gilt umso mehr für Bestatter, die sich selbstständig machen wollen. Wer sich mit seinen Dienstleistungen oder seiner Qualität vom bestehenden Wettbewerb abhebt, hat allerdings auch in einem vermeintlich gesättigten Markt eine Chance, wie das Beispiel von Carsten Heinrichs zeigt, der vor 24 Jahren nach beruflichen Umwegen wieder zu seinen Wurzeln in der Bestattungsbranche zurückkehrte. Als er sich nach dem Abitur beruflich orientieren wollte, hatte ihm sein Vater geraten, in ein Gewerbe zu gehen, in der er Blut sieht. „Da bin ich zum Bestatter gegangen“, so Heinrichs. Der Zufall wollte es, dass ein Bestatter in der Umgebung gerade Unterstützung suchte. Und so wurden aus einem Praktikum zweieinhalb Jahre, in denen Carsten Heinrichs das Handwerk von seinem Chef lernte. Da dieser jedoch nicht mehr ausbilden wollte, entschied sich Heinrichs für eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete an den Wochenenden weiterhin im Bestattungsinstitut. Diesem blieb er auch noch treu, als er sich fachlich in Richtung Medizin orientierte. Als er dann von einem Großhandel für Bestattungsbedarf erfuhr, der zum Verkauf stand, entschied sich Carsten Heinrichs endgültig für die Bestattungsbranche. Doch nach einer Weile fehlte ihm das Handwerk. So wusste er nach sieben Jahren: Es ist Zeit für ein eigenes Institut. Da es in Mönchengladbach bereits etablierte Bestatter gab, musste eine Firmenphilosophie her, die sich von anderen abhebt. „Dem Leben einen würdigen Abschied geben ist mir wichtiger als viel Geld zu verdienen“, sagt Carsten Heinrichs, der nach vielen Umwegen nun seiner Berufung gefolgt und mit Leib und Seele Bestatter ist. Sein Ausbilder in der kaufmännischen Lehre hat Verträge noch mit Handschlag und auf Vertrauensbasis besiegelt. Das hat Heinrichs übernommen.
In einem Dorf mit 20.000 Einwohnern ist es ihm gelungen, ein eigenes Institut zu etablieren und erfolgreich zu führen. „Ich zeige mich hier als Mensch. Je nach Situation trage ich auch mal eine Jeans. Das baut Barrieren ab und trägt in manchen Situationen zur Zwischenmenschlichkeit bei.“ Als ehemaliger Händler für Bestattungsbedarf liegen ihm die Produkte am Herzen. Mit einer großen Urnenwand mit 150 Urnen in verschiedenen Farben erweckt sein Institut einen bunten, freundlichen Eindruck. „Ausschließlich schwarze Räume werden Sie bei mir nicht finden. Manchmal wird hier sogar gelacht – je nach Angemessenheit und Situation.“ Mit Menschen umzugehen, das hat er auch in der Medizin gelernt, deren Ursprung das Helfen sei. Eine helfende Ader habe er ohnehin immer gehabt. Richtig ausleben könne er sie erst jetzt.
Zahnmedizin oder Bestattung?
Nina Siekmann war 2014 Jahresbestmeisterin und als junge Bestatterin ein Novum im von traditionellen Instituten geprägten Bielefeld. Die 27-Jährige ist Zahnmedizinische Fachangestellte und wollte nach ihrer Ausbildung Zahnmedizin studieren. „Das wurde mir durch diverse Umstände verleidet. Jedenfalls konnte ich es mir nicht vorstellen, diesen Beruf ein Leben lang zu machen.“ Die junge Frau fackelte nicht lange und suchte nach Alternativen. Der Geistesblitz kam im Gespräch im Freundeskreis ihrer Eltern. „Ein Freund meiner Eltern, der mich schon von klein auf kennt, brachte mich auf die Idee, Bestatterin zu werden. Das sei ein krisensicherer und abwechslungsreicher Beruf. Und ich wusste schon, dass ich auf keinen Fall den ganzen Tag im Büro oder in einer Praxis sitzen wollte“, erinnert sich die junge Frau, die heute beim Bestattungsinstitut Schormann in Bielefeld angestellt ist. Im Praktikum bei einem Überführungsunternehmen wollte sie herausfinden, ob sie mit Verstorbenen und Trauersituationen umgehen kann. „Bereits nach dem ersten Tag wusste ich: „Das ist mein Beruf, den ich Tag für Tag ausüben möchte. Ich war so zufrieden und erfüllt. Dieses Gefühl konnte mir die Zahnmedizin nicht geben.“ Nach intensiver und hartnäckiger Suche bekam Nina Siekmann schnell einen Ausbildungsplatz beim Bestattungsinstitut Schormann, verkürzte die dreijährige Ausbildung und machte im Anschluss direkt ihren Meister. Ihr heutiger Chef Johann Felix Schormann hatte gerade das Unternehmen von seinen Eltern übernommen und stellte die prämierte Bestattermeisterin ein. Schormann selbst ist in den Beruf hineingewachsen und machte nach seinem Studium den Abschluss des Geprüften Bestatters und Bestattermeisters. Viele Wege führen zum Ziel und ergänzen sich. Nina Siekmann hat ihre Entscheidung, von der Zahnmedizin ins Bestattungsgewerbe zu wechseln, nie bereut. Im Gegenteil. „Es ist ein schöner, erfüllender Beruf. Mir war und ist es wichtig, jeden Tag einen Beruf auszuüben, der mir die Möglichkeit bietet, täglich etwas Sinnvolles zu tun. Nicht jeder Tag ist leicht und es gibt Zeiten, in denen man an seine Grenzen stößt, aber auch das macht den Beruf besonders. Man wächst als Mensch und entwickelt sich stetig weiter.“ Büroarbeit, Behördengänge, Sargan- und ausschlag, den das Unternehme durch seine Wurzeln in der Tischlerei noch selbst mache, hygienische Versorgung, Überführung, Trauer- und Beratungsgespräche – auch diese Dinge machen den Bestatteralltag für Nina Siekmann so abwechslungsreich. „Durch die Trauerfeiern ist man immer woanders und weiß morgens nie, was der Tag bringen wird und auf welche Menschen man trifft. Ich darf so viele verschiedene Geschichten hören – traurige, romantische oder auch lustige Erzählungen aus dem Leben der Verstorbenen oder deren Angehörigen.“ Je länger sie dabei sei, desto mehr Spaß mache ihr der Beruf. Dazu tragen auch die vielen positiven Rückmeldungen bei: „Viele sagen, wie erfrischend es sei, zwischen den älteren Herren auch mal eine junge Frau zu sehen, die den Beruf ausführt, die auch mal ein Lächeln auf den Lippen hat und Menschen mit offenen Armen begegnet.“ Ihr medizinisches Interesse hat sie übrigens trotzdem nicht ganz abgelegt. Ihr nächstes Ziel: eine Ausbildung zur Thanatopraktikerin.
Weiterbildung für Quereinsteiger: Grundkurs Bestattung
Speziell für Berater in Bestattungsinstituten hat Rapid Data eine Weiterbildung konzipiert, die Quereinsteigern die Grundzüge des Bestattungswesens vermittelt. Der Schwerpunkt liegt in der Kundenkommunikation, der Planung und Organisation von Bestattungen sowie betriebswirtschaftlichen Hintergründen. Der Grundkurs Bestattung besteht aus den drei getrennten Wochen-Modulen „Beratung und Betreuung“, „Kommunikation und Qualität“ sowie „Wirtschaft und Handel“ mit jeweils 40 Unterrichtsstunden und einer abschließenden Wochenprüfung. Das Ziel ist die effiziente Vermittlung der wesentlichen kaufmännischen Kenntnisse und Fähigkeiten für die praktische Arbeit im Beratungs- und Betreuungsbereich.
„Hinterbliebene wünschen sich Beratung – auch über den Sarg, die Urne und Wäsche hinaus. Doch viele Branchenneulinge sind anfangs unsicher, wenn es darum geht, Abschiedskultur zu transportieren“, sagt Rapid Data Geschäftsführer Michael Angern. Der Bestatter sei kein Handwerker mehr, sondern immer mehr Dienstleister, der unter anderem auch rechtliche Grundlagen beherrschen und sich im Qualitätsmanagement, EDV und Marketing auskennen müsse. Dies betreffe vor allem die Berater in Bestattungshäusern, denen die Weiterbildung die nötigen Grundlagen für ihren Beruf vermitteln will. Der nächste Kurs startet am 12.09.2016.
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