Online trauern – ein neuer Markt für Bestatter?

csm_cf_19_web_188b696926Online trauern – ein neuer Markt für Bestatter? © obs/Panasonic Marketing Europe GmbH

Virtuelle Trauerforen, Kondolenzseiten und Friedhöfe: Im Internet lassen sich immer mehr Angebote rund um Tod und Trauer finden. Internetseiten boomen, auf denen Todesanzeigen und Nachrufe veröffentlicht werden können. Von Bestattern wird dieser Service bisher nicht angeboten. Dabei ist dies eine effektive und kostengünstige Möglichkeit, sich von anderen Wettbewerbern abzuheben und neue Kunden zu gewinnen.

 

Die private Internetnutzung befindet sich auf einem Höchststand: Laut Statistischem Bundesamt nutzten im Jahr 2007 fast 70% der deutschen Bevölkerung das Internet, 61% davon sogar jeden Tag. Vor allem in der Altersgruppe der über 50-Jährigen steigt die Bedeutung des Internets rasant. Im Zeitraum von Anfang 2006 bis Mitte 2007 waren vier von fünf Internet-Neulingen über 50 Jahre alt. Mittlerweile werden nicht mehr nur Begriffe wie „Routenplaner“ oder „Wetter“ gegoogelt. Wer bei Internet-Suchmaschinen Begriffe wie „Bestattung“, „Tod“ oder „Trauer“ eingibt, stößt auf virtuelle Trauerforen, Kondolenzseiten und Friedhöfe. Umfragen belegen, dass diese Webseiten auf positive Resonanz bei den Internetnutzern stoßen; so sucht ein Großteil der Befragten im Trauerfall mittlerweile online Unterstützung. Auch virtuelle Kondolenzseiten finden immer häufiger Verwendung, vor allem in prominenten Todesfällen. Bestattungsunternehmen können von dieser Entwicklung profitieren: Durch eine Erweiterung ihres Internetauftritts um virtuelle Traueranzeigen und Kondolenzbereiche können sie ihre Angebotspalette vergrößern und auf diese Weise neue Kunden gewinnen und bestehende stärker binden. Doch was genau verbirgt sich hinter den verschiedenen Internetangeboten?

 

Trauerbewältigung in Online-Foren

Online-Trauerforen sind für Menschen, die eine nahe stehende Person verloren haben, eine Plattform, über die sie sich mit anderen Betroffenen über das Erlebte austauschen und das Geschehene verarbeiten können. Die meisten dieser Foren werden von Privatpersonen betrieben, aber auch öffentliche Institutionen haben den Trend erkannt und verstärken Ihre Internetpräsenz in diesem Bereich. So bietet beispielsweise die Evangelische Kirche mit www.trauernetz.de eine Internetseite an, die neben einem Forum zur Trauerbewältigung Informationen zu den Themen Bestattung und Trauer bereitstellt und Beratungsstellen nennt. Zudem betreuen Mitarbeiter der Kirche Trauernde zu festgelegten Zeiten in einem interaktiven Chat. Von Bestattungsunternehmen wird ein solcher Service bisher praktisch nicht angeboten. Nur ein einziger Bestatter (Bestattungsinstitut Karl Schumacher) verlinkt auf seiner Internetpräsenz auf einen eigenen Trauerchat; ein Mal pro Woche können sich Trauernde hier von einem Psychotherapeuten beraten lassen.

 

Internet-Kondolenzbücher

Die Möglichkeit, seine Anteilnahme in einem virtuellen Kondolenzbuch zum Ausdruck zu bringen, gelangte nach den Anschlägen am 11. September 2001 in New York in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit. Auf unzähligen öffentlichen und privaten Internet-Plattformen hinterließen Menschen aus aller Welt ihre Mitleidsbekundungen. Seit diesem Ereignis werden virtuelle Kondolenzbücher verstärkt in prominenten Todesfällen oder als Reaktion auf Katastrophen eingerichtet. Zu den bekannten Beispielen gehören die Internet-Kondolenzseite der Bild-Zeitung für Prinzessin Diana, die im Jahr 2006 eingerichtete Online-Kondolenz für die Opfer des Einsturzes der Eissporthalle in Bad Reichenhall oder auch die Kondolenzseite der nordrheinwestfälischen SPD für den im Januar 2006 verstorbenen ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau. Virtuelle Trauerforen und Kondolenzseiten werden oftmals kombiniert und lassen sich daher nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen. Auf einigen Seiten zur Trauerbewältigung können Betroffene nicht nur miteinander in Kontakt treten, sondern auch Kondolenzeinträge hinterlassen. Auf manchen Internetportalen, zum Beispiel www.trauer.de, werden zudem Traueranzeigen aus regionalen Tageszeitungen veröffentlicht. Die grundsätzlich privat betriebenen Internet-Friedhöfe unterscheiden sich vor allem durch ihre grafische Umsetzung von den übrigen Internetangeboten. Auf Seiten wie www.strassederbesten.de finden sich liebvoll gestaltete Friedhöfe mit Grabsteinen, Blumen und Fotos der Verstorbenen. Häufig haben Besucher außerdem die Möglichkeit, per Mausklick eine virtuelle Kerze anzuzünden oder Beileidsbekundungen zu hinterlassen.

 

Hilfe im Internet

Doch warum haben trauernde Menschen das Bedürfnis, sich im Internet Hilfe zu suchen und ihrer Trauer virtuell Ausdruck zu verleihen? Ein Grund ist sicherlich, dass der Stellenwert der Religion in der Gesellschaft im Vergleich zu früher stark gesunken ist und aus diesem Grund die kirchliche Trauerarbeit an Bedeutung verloren hat. Bei einer Umfrage des Portals www.trauer.de gaben nur 36% der Befragten an, dass für sie die Kirche als Anlaufpunkt im Trauerfall dient. Der Bedeutungsverlust der Kirche kann jedoch nicht der einzige Grund sein. Eine andere mögliche Erklärung: Heutzutage ist es kaum möglich, nicht mit dem Internet in Berührung zu kommen, es gibt praktisch keine Thematik, die sich nicht im World Wide Web finden lässt. Zudem ist der Umgang mit Tod und Bestattung immer auch zeitlich und kulturell bedingt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Themen Tod und Trauer Eingang in die virtuelle Welt gefunden haben. Die Abnahme des gesellschaftlichen Zusammenhalts spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Viele Menschen stehen vor dem Problem, dass sie nur über wenige persönliche Kontakte verfügen, die im Trauerfall helfend zur Seite stehen können – oder dazu überhaupt bereit sind. Familie oder Bekanntenkreis können nicht  immer ausreichend Zeit aufbringen, den Trauernden zu unterstützen; viele haben zudem nur wenig oder gar keine Erfahrung im Umgang mit dem Tod oder sind nicht bereit, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Das Internet bietet Trauernden in solchen Fällen zahlreiche Möglichkeiten, sich Hilfe zu suchen und sich, unabhängig von der jeweiligen Tageszeit, mit anderen Betroffenen auszutauschen.

 

Online seine Trauer ausdrücken

Der Tod einer bekannten Persönlichkeit oder Ereignisse wie Anschläge lösen bei vielen Menschen das Verlangen aus, ihre Anteilnahme auszudrücken. Im Fall der Attentate auf das World Trade Center konnten durch die Bereitstellung virtueller Kondolenzbücher unzählige Menschen ihre Anteilnahme öffentlich bekunden, unabhängig von Wohnort und Tageszeit. Doch auch der Tod von Bekannten oder Familienangehörigen kann den Wunsch entstehen lassen, online zu kondolieren, einen Nachruf oder eine Anzeige im Internet zu veröffentlichen. Auf diese Weise kann die Trauer ausgedrückt und dem Verstorbenen ein virtuelles Denkmal geschaffen werden. Personen, die an einer Beerdigung nicht teilnehmen konnten, erhalten zudem die Möglichkeit, zumindest virtuell ihr Mitleid zu bezeugen.

 

Mit Online-Angebot neue Kunden gewinnen

Der großen Nachfrage nach virtuellen Gedenkmöglichkeiten steht ein bisher geringes Angebot von Seiten der Bestattungsbranche entgegen. Auf Wunsch der Kunden übernehmen Bestatter bereits in vielen Fällen die Aufgabe, Traueranzeigen in Zeitungen zu schalten. Diesen Service um eine Online-Veröffentlichung der Anzeige zu erweitern bzw. Betroffenen die Möglichkeit zu geben, einen eigenen virtuellen Nachruf zu gestalten, ist weder aufwendig noch kostenintensiv. Möchte ein Bestatter seinen Kunden auf Basis seiner eigenen Homepage einen solchen Service anbieten, ist der dafür nötige Aufwand gering: Aus technischer Sicht können auf dieser problemlos zusätzliche Rubriken, wie „Traueranzeigen“ oder „Nachrufe“, eingerichtet werden. Die dafür anfallenden Kosten sind gering. Die einzige zusätzlich anfallende Aufgabe besteht darin, zu kontrollieren, ob negative Kommentare zu Verstorbenen abgegeben wurden. Da die eigene Internetpräsenz jedoch ohnehin in regelmäßigen Abständen überprüft werden muss, kann die Kontrolle der Kondolenzen problemlos in den normalen Arbeitsablauf integriert werden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, Angebote bereits bestehender Internetseiten zu nutzen. So betreibt beispielsweise die Memorial International GmbH aus Flensburg ein virtuelles Portal, über das Bestatter ihren Kunden professionelle und interaktive Gedenkseiten mit Video- oder Bilderalbum-Funktion anbieten können. Für Bestatter ist diese Kooperation kostenlos, für Hinterbliebene bringt sie in der Hinsicht Vorteile, dass ihnen bei der Buchung über ihr Bestattungsunternehmen ein Rabatt gewährt wird. Das Internet gibt Bestattungsunternehmen so eine leicht durchzuführende und kostengünstige Möglichkeit, ihre Angebotspalette zu erweitern, sich von Wettbewerbern zu differenzieren und auf diese Weise mit wenig Aufwand neue Kunden zu gewinnen und bestehende stärker zu binden.