Immer schön bedeckt!

Helena Faber: "Den typischen Arbeitstag gibt es glücklicherweise nicht!". Foto: HOPF Pietätsartikel GmbH

Obgleich sich die Bestattungswäsche-Industrie zum Teil in Billiglohnländer verlagert hat, sehen Hersteller in Deutschland optimistisch in die Zukunft und suchen Nachwuchskräfte in der Näherei. Denn Qualität made in Germany ist nach wie vor gefragt. Der Individualisierungstrend und Umweltaspekte könnten sich positiv auswirken.

 

Seit 25 Jahren näht Helena Faber Bestattungswäsche bei der Hopf Pietätsartikel GmbH. Damals war sie gerade aus Russland nach Deutschland gekommen und nähte leidenschaftlich gern. Dass sie dieses Hobby professionalisieren und ausgerechnet Bestattungswäsche nähen würde, ahnte sie damals noch nicht: „Für mich stand erst einmal im Mittelpunkt, überhaupt eine Arbeit zu haben.“ Für Verstorbene zu nähen, hat sie nicht abgeschreckt, sagt sie: „Wir haben ja keinen Kontakt zu den Toten.“ Im Hinterkopf sei er zwar präsent, aber Tod und Trauer gehören schließlich zum Leben. „Ich habe auch schon Decken und Talare für gute Bekannte genäht. Das ist eine traurige Aufgabe, aber mit einem positiven Aspekt: Im Gegensatz zu vielen hilflosen Angehörigen und Freunden kann ich die Hinterbliebenen mit meiner Arbeit in ihrer Trauer und bei der Gestaltung eines stimmigen Abschieds unterstützen.“

 

Von XXL-Talaren, bunten Decken und Jeanshemden

Bei der Frage nach einem typischen Arbeitstag schmunzelt Helena Faber: „Den gibt es glücklicherweise nicht!“ Denn obgleich es natürlich häufig nachgefragte Standardmodelle gebe, wird bei der Firma Hopf auch noch viel maßgeschneidert, vor allem Talare in Übergrößen. „Hin und wieder schneidern wir auch Jeanshemden, denn der Trend geht weg von der verspielten Spitze und Rüschen zu eher sportlicheren Talaren.“ Auch bunte Decken werden direkt nach der Bestellung genäht. Helena Faber und ihre Kolleginnen benötigen hierfür rund eine Stunde – im eingespielten Team: „Bei uns können alle alles, auch wenn jede Näherin ihren eigenen Arbeitsbereich hat“, sagt Helena Faber. Denn das Nähen sei ja nicht alles: abrollen, zuschneiden, Füllmaterial aufstecken, nähen, verpacken, manchmal müssen Dekodetails eingebügelt oder eingesetzt werden. Acht Näherinnen sind damit beschäftigt und bringen auch eigene Ideen ein. Diese kreative Seite ihres Berufs gefällt Helena Faber besonders: „Wir gestalten selber Decken, etwa mit Sprüchen oder Dekobändern und sind am Entwurf neuer Modelle beteiligt.“ Dass die Resonanz von Hinterbliebenen ausbleibt, gehört zum Beruf. Bedankt sich dennoch einmal ein Angehöriger für die schöne Wäsche, freut sich Dieter Hopf, das Lob an seine Näherinnen weiterzugeben. Der Geschäftsführer hält immer auch die Augen nach Nachwuchs offen, denn trotz vieler Billigimporte aus Indien, Thailand, Südamerika und Osteuropa ist sein Sortiment gefragt. Er möchte die Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und Kunden für Nachhaltigkeit sensibilisieren. Doch das Handwerk hat es nicht leicht. Männliche Kollegen gab es in der Näherei bislang noch nie. Doch wer weiß: „Schließlich gibt es in der Modebranche auch viele männliche Designer!“

 

Nachwuchs ist keine Geschlechterfrage

Gabriele Löw, Inhaberin von Goetz Trauerwaren, arbeitet gerade einen neuen Mitarbeiter ein. Wie sie damals – nach ihrem Studium arbeitete sie beim Softwareunternehmen DATEV – ist auch Florian Söllner Quereinsteiger und bringt frischen Wind in das Traditionsunternehmen. Gabi Löw ist in die Branche und ihr Familienunternehmen hineingewachsen: „Mein Vater hatte nur zwei Töchter und keinen Bub. Darum haben wir beide bis hin zum Kabelverlegen einfach vieles lernen müssen.“ Mit Frau Schüssler von Spalt Trauerwaren und Frau Hopf habe es in der Wäsche-Branche schon damals starke Frauen gegeben – „Anders als bei den Sargbaronen“, schmunzelt sie. Das Verhandeln sei ihr anfangs mit ihren damals 29 Jahren vielleicht sogar leichter gefallen als ihren männlichen Kollegen. In ihrem Unternehmen ist es Gabi Löw egal, ob Kollege oder Kollegin, Hauptsache, er oder sie passe ins Team, in dem ein offenes Betriebsklima herrsche. „Die Näherei ist natürlich frauendominiert. Dass unser Hund ein Weiberl ist, ist jedoch Zufall!“ Florian Söllner ist der Meinung „Gabi Löw ist zielorientierter als die Männer, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe. Sie hat ein klares Ziel vor Augen, das sie umgesetzt sehen will. Frauen achten oft mehr auf das Budget, während Männern häufig mehr an ihrer Selbstdarstellung liegt.“ Tradition ist Gabi Löw wichtig. Gleichzeitig ist sie offen für Innovationen – vorausgesetzt, sie erscheinen ihr sinnvoll: „Never change a running system – Bewährtes wird beibehalten und trotzdem sind wir offen für Neues.“
Bei 60 Prozent Kremationen ist es schwierig kreativ zu werden. Viele Kunden kaufen heute nach dem Preis. Die schwarze Decke mit dem Rosenstreifen verkauft sie gerne, versteht jedoch auch, dass vielen Angehörigen in ihrer verletzlichen Situation der Sinn für eine außergewöhnliche Decke fehle. „Da sind mutige Bestatter gefragt.“ Sollte sich der Kremations- und Billigtrend weiterentwickeln, müsse man flexibel sein und bleiben. Auch die Markteinführung der Normors Kinnstütze und einiger Produkte für Friedhofstechnik hätten schließlich nichts mit Bestattungswäsche zu tun gehabt. „Und wer weiß: Vielleicht besinnt man sich zukünftig doch wieder mehr auf Umweltaspekte und Made in Germany!“ Bei hiesigen Produkten sei der Standard jedenfalls sehr hoch. Auch die Individualisierung ist eine Entwicklung, die der Bestattungswäscheindustrie zu Gute kommen könne. Diesem Trend begegne das Unternehmen beispielsweise mit neuen Fußballgarnituren sowie bereits seit geraumer Zeit mit Garnituren, auf die individuelle Sprüche gestickt werden.

 

www.goetz-trauerwaren.de

www.hopf-online.de