Frauenpower: Ist „sie“ der bessere Bestatter?

csm_450143_R_K_B_by_Alexander-Hauk---www.alexander-hauk.de_pixelio.de_742f68d109Frauenpower. © Alexander Hauk / www.alexander-hauk.de / pixelio.de

Frauen in sogenannten Männerberufen sind längst keine Seltenheit mehr. In vielen Branchen wächst der Frauenanteil stetig. Und so findet auch die Bestattungsbranche immer mehr weiblichen Zuwachs. Das Bild vom alten blassen Mann im schwarzen Anzug als Bestatter gehört längst der Vergangenheit an. Frauen überzeugen als Bestatterinnen mit ihren spezifischen Qualitäten.

 

Dass Frauen Mitmenschen bestatten, ist aber keine Erfindung der Gegenwart. Im Gegenteil: In die Totenfürsorge waren sie seit jeher involviert. So gab es die sogenannten Leichenfrauen, die sofort hinzugezogen wurden, wenn jemand verstarb. Sie übernahmen sowohl organisatorisch als auch seelsorgerisch vielfältige Aufgaben. So kümmerten sie sich um die Bestattung, bestellten die Sargträger und informierten auch Freunde und Bekannte der Verstorbenen über die anstehende Beerdigung. Die ambulante Totenpflege gehörte ebenfalls zu ihren Aufgaben. Sie wuschen und kleideten den Verstorbenen und spendeten zudem den Angehörigen Trost. Leichenfrauen wurden auch als Seelnonne, Totenwäscherin, Totenfrau oder Totenweibchen bezeichnet. Diese Frauen waren nicht unumstritten, denn wer ständig mit dem Tod zu tun hatte, galt schnell als suspekt.

 

Von der Leichenfrau zum Bestattungsinstitut

Der Beruf des Bestatters entstand schließlich aus einer Mischform des Sargschreiners und der Leichenfrau. Früher war der Sargschreiner für den Bau des Sarges und meist auch für den Transport der Leiche verantwortlich. Die Leichenfrau versorgte den Leichnam und organisierte die Bestattung. Heute bieten Bestattungsinstitute ganz selbstverständlich sämtliche Dienstleistungen rund um die Beerdigung und die Trauerbewältigung aus einer Hand an. „Wir verstehen uns nicht nur als Bestattungsunternehmen, sondern viel mehr auch als Begegnungsstätte“, erklärt Bestatterin Regina Borgmann, die seit drei Jahren gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Christa Dohmen-Lünemann die InMemoriam GmbH in Aachen leitet. „Neben allem was zu einer Bestattung gehört bieten wir auch Selbsthilfegruppen für Hinterbliebene und Tage der offenen Tür mit kulturellem Programm an.“

 

Bestattungsbranche heute immer beliebter

Seit die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft im August 2003 staatlich anerkannt ist, strömen immer mehr junge Leute in die zukunftsorientierte Branche. Derzeit befinden sich insgesamt 476 Bestattungsfachkräfte in der Ausbildung. Davon sind 239, also etwas mehr als die Hälfte, Frauen, die besonders die abwechslungsreiche Tätigkeit an diesem Beruf schätzen. Neben Büroorganisation und handwerklichen Arbeiten sind die Hauptaufgaben im Bestattungsgewerbe die Beratung und Betreuung von Angehörigen. Gute Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung gibt es ebenfalls. Wer eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft absolviert hat, kann danach Bestattermeister werden, sich mit einem eigenen Unternehmen selbstständig machen oder zusätzlich den Beruf des Thanatopraktikers erlernen.

 

Die Arbeit mit Lebenden

Und auch wenn es sich ein Außenstehender vielleicht nicht vorstellen kann, Bestatter haben hauptsächlich mit lebenden Menschen zu tun. Mit Menschen, die sich in einer Ausnahmesituation befinden. „Wenn jemand stirbt, sind die Angehörigen oftmals sehr gefordert“, sagt Regina Borgmann. „Ihnen Trost zu spenden und sie bei der Organisation der Bestattung zu entlasten und gemeinsam passende Formen des Abschiedes zu entwickeln, kann sehr befriedigend und erfüllend sein. Da wir auch nachsorgende Begleitung anbieten, entstehen häufig intensive zwischenmenschliche Beziehungen, die den Trauernden gut tun.“ Das bestätigt auch Petra Fischinger, die seit 1999 das „Bestattungsinstitut Petra Fischinger“ in Calw leitet. „Ich bekomme so viel Dankbarkeit von den Angehörigen. Das zeigt mir wie wichtig und sinnvoll meine Arbeit ist.“

 

Womit Frauen punkten

Eigenschaften wie eine hohe Empathie, gutes Benehmen und ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, mit denen Frauen in vielen Berufen punkten, sind auch für die Bestattungsbranche von Vorteil. Denn die Bestattungsfachkräfte müssen sowohl den Toten höchsten Respekt entgegenbringen als auch mit den unterschiedlichsten Trauernden umgehen, da jeder Mensch anders auf den Tod eines Mitmenschen reagiert. Hier ist ein hohes Maß an sozialer Kompetenz gefordert. Frauen gelten als einfühlsamer als ihre männlichen Kollegen und eignen sich daher optimal für diesen anspruchsvollen Beruf. Sie können gut zuhören und sich in die Situation des Angehörigen versetzen. „Die Schwerpunkte liegen bei Männern und Frauen anders“, meint Petra Fischinger. „Meiner Meinung nach sind Männer eher technisch, Frauen eher emotional orientiert. Eine Frau legt schon mal eher die Hand als Trost auf den Trauernden. Bei mir kommt es auch nicht selten vor, dass Angehörige und ich uns in die Arme nehmen.“

 

Die eigenen Gefühle verarbeiten

Gleichzeitig müssen Bestatter auch lernen, ihre eigenen Gefühle zu schützen, um die teils schlimmen Dinge, mit denen sie konfrontiert werden, nicht zu nah an sich heranzulassen. „Ich tausche mich häufig mit meiner Kollegin aus, um traurige Ereignisse zu verarbeiten“, erklärt Regina Borgmann. „So kann ich weiter professionell arbeiten.“ Unfallopfer und verstorbene Kinder sind nur ein paar der unschönen Seiten, die ein Bestatter während seines Berufslebens kennenlernt. Das betrifft aber Männer und Frauen gleichermaßen. Wie auch in anderen Berufen, sei es im Krankenhaus, Altenheim, bei der Polizei oder Feuerwehr, müssen Bestatter darauf achten, dass Geschehnisse bei der Arbeit nicht das Privatleben beeinträchtigen.

 

Den Überblick behalten

Bestatterinnen brauchen außerdem eine gute Portion an Organisationstalent, denn Sterbefälle treffen oft plötzlich ein, sodass viele Dinge auf einmal auf die Angehörigen zukommen. Hier gilt es, den Überblick zu behalten. Der Sarg muss ausgesucht, die Bestattung organisiert, Trauerkarten gestaltet und versendet werden. Alles kein Problem für die weiblichen Bestatter.

 

Kraft und Fitness

Schwierigkeiten ergeben sich für Frauen in diesem Berufsfeld eher im handwerklichen Bereich, denn wenn beispielsweise ein sehr schwerer Mensch stirbt und angehoben werden muss, kann das für eine Frau besonders anstrengend sein. Da Auszubildende zur Bestattungsfachkraft aber eine spezielle Technik erlernen mit der sie Tote besser anheben und umdrehen können, sind sie auch hier dem männlichen Geschlecht nicht unterlegen. Zudem gibt es Hilfsmittel, die den Alltag im Bestattungsunternehmen erleichtern. „Wir haben uns einen Körperheber gekauft, den wir benutzen, wenn jemand sehr schwer zu heben ist. Ist ein Toter aus einem Wohnhaus ohne Aufzug abzuholen, haben wir aber auch männliche Hilfe, auf die wir zurückgreifen können“, verrät Borgmann. Sowohl männliche als auch weibliche Bestatter müssen sich aber trotz Hilfsmittel, die mittlerweile angeboten werden, körperlich fit halten, um auf Dauer Rückenproblemen vorzubeugen.

 

Die Bestattung aus Frauenhänden

Heutzutage setzen viele Bestattungsunternehmen bewusst auf Frauenpower. Und das aus gutem Grund. Denn besonders Frauen fühlen sich oft von einer Frau besser verstanden als von einem Mann und verlangen deshalb gezielt eine Bestatterin als Betreuung. „Frauen bestatten anders als Männer. Ob ihre Herangehensweise besser ist, ist natürlich subjektives Empfinden“, meint Lisa Höfflin, Inhaberin des Bestattungsinstituts „LEBENSWEGE Frauen bestatten“ in Köln. „Ich finde es deshalb gut, wenn Angehörige wählen können, ob sie eine Frau oder ein Mann betreut. Vielen fällt es aber leichter, Tränen zu zeigen, wenn ihnen eine Frau gegenüber sitzt, da Frauen eher zugeschrieben und zugestanden wird, Gefühle auszudrücken.“ Lisa Höfflin entschied sich sehr bewusst für den Beruf der Bestatterin. Der plötzliche Tod ihres Vaters und die negativen Erfahrungen, die sie damals mit dem zuständigen Bestatter machte, haben sie geprägt. Der gelernten Krankenschwester und Diplomreligionspädagogin aus Köln ist es besonders wichtig, den Angehörigen verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, wenn ein Mensch gestorben ist. „Jeder soll die Zeit zwischen Tod und Beisetzung nach seinen Wünschen gestalten können, denn jeder Tod ist anders und jeder trauert auf unterschiedliche Weise. Meine Aufgabe sehe ich darin, den Angehörigen eine individuelle Möglichkeit des Abschieds zu geben“, erklärt Höfflin.

 

Wie Frauen mit den Schattenseiten umgehen

Nicht ohne Grund fühlen sich manche Menschen von der Arbeit mit den Toten abgeschreckt. Viele traurige Erlebnisse prasseln tagtäglich auf die Bestatter ein. Oft sind sie mit schlimmen Bildern verbunden. Der plötzliche Unfalltod, der Selbstmord eines Kindes oder eine schon stark verweste Leiche, die äußerst unangenehme Gerüche mit sich bringt, lassen auch erfahrene Bestatter und Bestatterinnen nicht kalt. „Wenn ich sehr gehäuft mit schweren Schicksalen, ungelebtem Leben oder unversöhnten Abschieden konfrontiert werde, ist das belastend, besonders wenn ich gerade selbst in einer Krise stecke“, sagt Lisa Höfflin. Auch die dauernde Ruf-Bereitschaft sei manchmal etwas anstrengend. „Man kann einen Tag in seinem Sinne verplanen, aber dann kommt alles oftmals doch ganz anders, weil jemand plötzlich verstorben ist und die Angehörigen mich brauchen“, erklärt Petra Fischinger. „Deshalb genieße ich meine wenige freie Zeit umso mehr, auch wenn sie eben nicht immer planbar ist“. Für Regina Borgmann bringt der Beruf gar keine wirklichen Schattenseiten mit sich, sondern viel mehr Herausforderungen. „Ich denke, es ist wichtig, dass man für sich selbst eine innere Balance gefunden hat. Dann kann man die teilweise schwierigen Situationen gut meistern. Für mich ist mit dem Beruf ein lang gehegter Traum in Erfüllung gegangen.“

 

Statistische Information

Frauen in der Ausbildung

Insgesamt befinden sich zurzeit 476 Personen in der Ausbildung zur Bestattungsfachkraft. 239 davon sind Frauen. Seit der Einführung des Ausbildungsberufes 2003 ist die Anzahl der weiblichen Auszubildenden kontinuierlich gestiegen. Von den 460 Personen, die die Ausbildung bereits abgeschlossen haben, sind 175 Bestattungsfachkräfte Frauen.