Digitale Gold-Gräber

Kaum eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat die Wirtschaft zu so vielen innovativen Geschäftsideen inspiriert wie die Digitalisierung. Sie verändert ganze Märkte, indem sie völlig neue Dienstleistungen erschafft - und andere beerdigt. Eine Hauptrolle spielt dabei Google.

Kaum eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat die Wirtschaft zu so vielen innovativen Geschäftsideen inspiriert wie die Digitalisierung. Sie verändert ganze Märkte, indem sie völlig neue Dienstleistungen erschafft – und andere beerdigt.

 

Eine Hauptrolle spielt dabei Google. Ganz selbstverständlich „googeln“ wir, um Produkte und Preise zu vergleichen, oder um einen Dienstleister in unserer Nähe zu finden. Sehr viele Verbraucher vertrauen dabei auf Bewertungen anderer Nutzer, auf den Bekanntheitsgrad, oder auf die schlichte Position eines Unternehmens in den Suchergebnissen. Interessant, denn die Zahl der Suchanfragen nach dem Stichwort „Bestattung“ hat sich bei Google innerhalb der vergangenen fünf Jahre glatt vervierfacht.

 

Wir können nur spekulieren, ob aus solchen Suchanfragen reale Bestattungen resultieren. Fakt ist: Kapitalinvestoren glauben an diesen Trend und setzen viel Geld darauf. Man darf kaum annehmen, dass sich ausgerechnet die Bestattungsbranche der Digitalisierung ihres Geschäftsmodells auf Dauer entziehen kann. Der Erfindungsreichtum der digitalen Wirtschaft macht weder vor dem Bestatter noch vor dem Friedhof halt.

 

So verlagert sich etwa das gemeinsame Trauern immer mehr ins Netz. Auf Gedenkseiten können sich Trauernde miteinander austauschen, Kondolenzen hinterlassen, symbolisch Kerzen anzünden oder Pixelblumen an einem virtuellen Grab niederlegen. Der Softwarehersteller Rapid Data beispielsweise bietet Bestattern an, eine solche Gedenkseite in ihrem eigenen Internetauftritt zu integrieren. Hier ist es der Trauergemeinschaft möglich, ihrem Schmerz Ausdruck zu verleihen, den Verstorbenen in ehrender Erinnerung zu halten und den Hinterbliebenen Trost zu spenden.

 

Friedhöfe zwischen real und digital

Nicht nur die Trauer, auch das Geschäft mit dem Grab soll sich künftig ins Internet verlagern. Jedenfalls, wenn es nach der Deutschen Friedhofsgesellschaft geht, einer Tochterfirma des privat betriebenen Krematoriums Dachsenhausen in Rheinland-Pfalz. Sie will künftig den Kauf von Gräbern online anbieten. Zunächst soll der Service für die eigenen 18 Friedhöfe gelten. Ein digitaler Rechner zum Vergleich von Grabkosten ist bereits online.

 

Einen neuen Ansatz, Friedhofsbesuchern digitale Informationen zum Friedhof und den Verstorbenen auf deren Smartphone zu übermittelt, bietet friedhofguide.de. Mit der interaktiven Gestaltung von „virtuellen Friedhöfen“ mit GPS-verorteten Gräbern will das Unternehmen vor allem Friedhofsverwalter und Bestatter ansprechen. Die Gestaltung von Friedhofsrundgängen und die Vermarktung von Grabpatenschaften sind erste Anwendungen, die derzeit entstehen. Ab Ende 2016 soll es auf der Internetplattform möglich sein, Bestattungstermine in einem gemeinsamen Kalendersystem zu planen.

 

Hinterbliebenen eine unkomplizierte Grabpflege mit digitalen Mitteln zu ermöglichen, hatte die Pusch GmbH & Co. KG im Sinn und entwickelte unter dem Namen EWIG NAH selbstpflegende Gräber mit einer Kombination aus Naturstein und Metallelementen. Die Funktionen: eine Grabsteuerung mit LED-Grableuchte, eine automatische Bewässerung mit Wassertank, Diebstahl- und Vandalismusmeldung und eine Grabkamera. Letztere nimmt bei Bedarf aktuelle Fotos vom Grab auf und erlaubt es Hinterbliebenen so, sich auch von unterwegs oder aus der Ferne um das Grab zu kümmern.

 

QR-codierte Trauer

Doch das digitale Grab von heute kann nicht nur sich selbst pflegen, sondern auch Lebensgeschichten erzählen, etwa mittels eines QR-Codes. Diese strukturierte Aufteilung schwarzer Würfel ermöglicht mit Hilfe eines mobilen Endgeräts und einer meist kostenlosen App, die Daten digital auszulesen. Auf Grabsteinen können sie, aufgeklebt, eingelasert oder eingraviert, Informationen zum Verstorbenen übertragen oder zu einer individuell gestalteten Erinnerungsseite führen. Der Anbieter E-Memoria ermöglicht es Hinterbliebenen, einen solchen QR Code mit persönlichen Daten, der Lebensgeschichte, bis zu zehn Fotos und zwei Videos des Verstorbenen zu verknüpfen. Immer mehr Städte erlauben den Einsatz dieser Technik in ihren Friedhofssatzungen.

 

Smarte Friedhofsführung

Wer sich für historische Verstorbene interessiert, den dürfte die Friedhofs-App „wo sie ruhen“ interessieren. Diese App bietet zurzeit allgemeine Informationen zu 37 national bedeutsamen historischen Friedhöfen in Deutschland mit rund 1.000 kulturhistorisch interessanten Grabmalen. Texte zu den Grabmälern kann man nicht nur lesen und sich Bilder ansehen, sondern auch wie in einer Führung anhören.

 

Nachlass im Netz

Darüber, welche Spuren der Verstorbene zu Lebzeiten im Netz hinterlässt, machen sich digitale Nachlassverwalter Gedanken, gehen auf Spurensuche im Netz und löschen gemäß Beauftragung Konten oder sichern Guthaben. Während diese Unternehmen ihre Leistungen meist über Bestatter an die Hinterbliebenen verkaufen, richtet sich der Anbieter Anera an Endverbraucher und verspricht, dass niemand mehr aus dem Leben scheiden muss, ohne alle wichtigen Dinge geregelt zu haben. Von der letzten Botschaft an die Lieben über die Patientenverfügung bis zur Kündigung von Verträgen und Mitgliedschaften. Um die Regelung des digitalen Nachlasses kümmert sich auch die Columba Online Identity Management GmbH aus Berlin, die sich den Kundenschutz für Angehörige und Erben verstorbener Internetnutzer zum Ziel gesetzt hat. Ein Interview mit Dr. Christopher Eiler von Columba finden Sie in dieser Ausgabe der „Bestattung“.

 

Der Bestattungskonfigurator

Die Wunschbestattung nach dem Baukastenprinzip in nur drei Schritten bietet das Berliner Startup Mymoria an. „Wir wollten es Hinterbliebenen ermöglichen, eine Bestattung vollumfänglich von zu Hause zu planen und zu beauftragen“, beschreibt Gründer Björn Krämer seine Vision. Dass die vielen für den Hinterbliebenen belastenden Entscheidungen rund um die Bestattung in vertrauter und geschützter Umgebung getroffen werden können, beschreibt Krämer als Vorteil seines Geschäftsmodells. Mymoria wirbt mit voller Kostenkontrolle, großer Auswahl an Produkten und persönlicher Beratung. Für die Dienstleistungen vor Ort engagiert Mymoria lokale Partner-Bestatter. „Der Abschied erfolgt natürlich weiterhin persönlich im wirklichen Leben – lediglich für den Weg dahin bieten wir die digitale Alternative“, so Krämer.

Die Bestattungswunschkarte

An Vorsorgende richtet sich die Conscius-Card. Denn viele Menschen denken zwar über ihre Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich der eigenen Bestattung nach, sprechen jedoch nicht mit Familie oder Freunden darüber, was genau nach dem eigenen Tod geschehen soll. Persönliche Aufzeichnungen werden eventuell unter dem Schock des Todesfalls und unter dem Zeitdruck eines nahenden Beisetzungstermins von Angehörigen nicht rechtzeitig gefunden. Wer für den Ernstfall vorsorgen, aber nicht unbedingt einen Bestatter aufsuchen möchte, kann die Conscius-Card beantragen. Wie ein Organspenderausweis kann sie im Ernstfall bei den Personalien beispielsweise im Portemonnaie gefunden werden. Unter der darauf angegebenen Kontaktnummer gelangt der Anrufer zum Hinterlegungsort einer zuvor ausgefüllten Willenserklärung. Das kann ein Bestatter oder ein Vorsorge-Versicherer sein, mit denen das Unternehmen kooperiert.

 

Links:
www.rapid-data.de
www.grabrechner.de
www.friedhofguide.de
www.pusch.ws/produkte/ewig-nah-grabsystem.html
www.e-memoria.de
www.wo-sie-ruhen.de
www.anera.digital
www.wunsch-bestattung.de
www.mymoria.de