Das Ende der Bestattungskultur?

Eine kleine Gemeinde in Rheinhessen richtet ein Massengrab ein. Die Urnen werden in PVC-Rohren übereinander gestapelt. Über das Für und Wider von Billigbestattungen wird in der Branche seit Jahren diskutiert. Die einen sehen darin einen Weg, auch der wachsenden Zahl von Geringverdienern und Sozialfällen einen mehr oder weniger würdevollen Abschied zu bereiten. Für die anderen geht damit der Verlust von Pietät und Bestattungskultur einher.

 

Weitestgehend einig ist man sich inzwischen, dass die gesellschaftliche Situation günstigere Bestattungsformen notwendig macht, sei es durch einfachere Särge, den Verzicht auf opulente Dekoration oder weniger Beratung. Ebenso gibt es aber auch gewisse Grenzen. Diese hat nun offenkundig die kleine Gemeinde Horrweiler in Rheinhessen überschritten – mit einem Gräberfeld aus knallorangen Abwasserrohren.

Insgesamt 700 der PVC-Rohre hat Krematoriumsbetreiber Karl-Heinz Könsgen dicht an dicht auf einem kleinen Teilstück des örtlichen Friedhofs senkrecht in die Erde gesetzt. In jedem sollen drei Urnen übereinandergestapelt werden. Macht 2.100 anonyme Gräber auf engstem Raum – Kostenpunkt jeweils 200 Euro. Den Wettbewerb um das billigste Grab gewinnt Könsgen damit allemal. Gleichzeitig hat er sich aber auch den Unmut von Branchen- und Kirchenvertretern wie auch der Bürger vor Ort zugezogen. „Die ‚Urne im Rohr‘ unterbietet einfach alles, was wir aus dem Bereich der Discount-Bestattungen kennen“, erläutert VDZB-Geschäftsführer Siegfried von Lauvenberg. „Das Ganze hat schon was von einem Massengrab, in dem sterbliche Überreste nur noch entsorgt werden. Das ist nicht nur eines Verstorbenen unwürdig. Auch die Angehörigen verlieren jeden Bezugspunkt für ihre Trauer.“ Derweil sind sich sowohl der offizielle Pächter – das Privatunternehmen Deutsche Friedhofsgesellschaft – als auch der Gemeinderat von Horrweiler keiner Schuld bewusst. So sieht die stellvertretende Bürgermeisterin Christine Jacobi-Becker in dem neuen Grabfeld lediglich eine Erweiterung des Angebotsspektrums. „Andere machen das auch“, lautet der lapidare wie unzutreffende Kommentar der Friedhofsgesellschaft. Diese will nun eine Ethikkommission einberufen, die den Fall prüft. Bis zum Jahresende soll ein Handlungskatalog mit Empfehlungen vorgelegt werden. Inwieweit diese frei und unabhängig formuliert sind, bleibt abzuwarten.