Politische Kehrtwende irritiert Verbände und Bürger
Niedersachsen und Brandenburg haben in den vergangenen Wochen eine Chance vertan, ihre Bestattungsgesetze zu modernisieren. In Potsdam hat eine denkbar knappe Mehrheit der Landespolitiker für ein neues Bestattungsgesetz gestimmt – jedoch überraschend nicht für die ursprünglich vorgeschlagene Liberalisierung. Im Gegenteil schränkt der nun vorliegende Gesetzestext heute bestehende Wahlfreiheiten der Bürger künftig sogar ein.
Mit dem Änderungsantrag, der in knapper Entscheidung von 52% im Landtag Brandenburg angenommen wurde, wird die Möglichkeit zur Entnahme geringfügiger Mengen Kremationsasche für die Verwendung in Erinnerungsobjekten gestrichen. Dieser Passus, der vom Städte- und Gemeindebund vorgeschlagen worden war, hätte mehr Rechtssicherheit für neue Bestattungsformen bedeutet. Er fand die Zustimmung aller betroffenen Bestatterverbände, der Verbraucherinitiative Aeternitas e.V. sowie auch der eindeutigen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland. Die Bürger befürworten nach einer repräsentativen Umfrage zu mehr als 70% größere individuelle Freiheiten und eine Liberalisierung der Bestattungsgesetzgebung.
Sowohl der Besitz als auch die Herstellung von Erinnerungsobjekten wie Glasobjekten, Diamanten, und auch Miniurnen, ist im europäischen Ausland legal. In Brandenburg dagegen gilt die Entnahme der für diesen Zweck benötigten Asche jedoch künftig als Ordnungswidrigkeit. Eine solche begeht, wer „… die Totenasche ganz oder teilweise der Beisetzung entzieht, oder die Möglichkeit zur Entziehung vermittelt oder bei der Herstellung von Sachen verwendet oder die Möglichkeit zur Herstellung vermittelt…“
In Fachkreisen stößt diese politische Kehrtwende auf Kritik: „Im Kontrast zu beiden christlichen Kirchen vermögen wir keine Verletzung der Menschenwürde durch die Existenz der Erinnerungsobjekte zu erkennen. In aller Regel wird die Entscheidung hierfür bereits zu Lebzeiten in Abstimmung mit dem Lebenspartner und der Familie verantwortungsvoll und bewusst getroffen“, erklärt Frank Ripka von der Algordanza Erinnerungsdiamanten GmbH. „Es ist die autonome und individuelle Entscheidung mehrerer Personen im familiären Konsens.“ Kein Erinnerungsobjekt enthalte mehr als wenige Gramm Kremationsasche – keinesfalls könne die verstorbene Person auf diese Weise zu einer „Sache“ werden. So benötigen Erinnerungsdiamanten, die zu maximal 2 Karat bzw. 0.4 Gramm wachsen können, beispielsweise höchstens 1.5 Gramm Kohlenstoff der verstorbenen Person. Es werde daher immer auch einen Ort der Beisetzung geben.
„Zwar ist das Bestattungsrecht Ländersache, doch kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen sind an den Landesgrenzen nicht aufzuhalten“, sagt der Sprecher des Bundeverbandes Bestattungsbedarf, Christoph Windscheif. Aus Sicht der bundesweit tätigen Anbieter von Produkten und Dienstleistungen für das Bestattungsgewerbe sei die neue Rechtsauffassung fragwürdig: Müssen Hersteller von Erinnerungsobjekten etwa künftig ihre Internetseiten für die Bürger Brandenburgs sperren, weil sonst eine abmahnbare Vermittlung vorliegt? „Keinesfalls kann es hilfreich sein, Formen des Totengedenkens, die andernorts üblich sind und nach denen es eine große Nachfrage in der Bevölkerung gibt, unter Strafe zu stellen. Damit werden Hinterbliebene und Bestatter zu Unrecht kriminalisiert“, meint Windscheif. Die Diskussion darüber wird aktuell auch in weiteren Bundesländern geführt, zum Beispiel in Hessen und Sachsen-Anhalt. Der Verband hofft auf ein anderes Ergebnis als in Brandenburg.