(Interview mit Privatdozent Dr. theol. habil. Dipl. Psychologe Thomas Schnelzer)
Privatdozent Dr. theol. habil. Dipl. Psychologe Thomas Schnelzer, M. A. lehrt Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Universität Eichstätt – Ingolstadt, zugleich ist er leitender Psychologe der Caritas Erziehungsberatungsstelle in Neumarkt/Oberpfalz. Seit 1997 ist er federführend für das Fach Trauerpsychologie für den Bundesverband der Bestatter im Rahmen der Bestatterausbildung tätig und ist Autor eines Lehrbuchs für Trauerpsychologie.
Wie unterscheidet sich aus trauerpsychologischer Sicht der Abschied vom Sarg von einer Trauerfeier mit Urne?
Die erste Aufgabe, die der Trauernde bewältigen muss, ist, die Realität des Verlustes anzuerkennen. Verabschiedet er oder sie sich am offenen oder geschlossenen Sarg mit seinen realistischen menschlichen Abmessungen, gelingt das Begreifen des Todes besser als an der Urne, anhand derer der Verstorbene nicht als Person wahrgenommen werden kann. Es bleibt eine emotionale Distanz, die nur mit Mühe verringert werden kann. Aus trauerpsychologischer Sicht ist sogar eine Sargbestattung vorzuziehen, weil am Friedhof der Sarg in die Erde gesenkt wird. Besucht man ein Grab, in dem ein geliebter Mensch tatsächlich liegt, ist dies tröstlicher, als sich eine Urne im Erdreich vorzustellen. Auch, wenn Familien nicht mehr an einem Ort wohnen und es nur einmal im Jahr zum Grab schaffen, ist es tröstlich zu wissen, wo die Verstorbenen liegen. Trauer braucht einen Ort.
Wie wichtig sind Rituale am Sarg?
Üblicherweise verabschieden sich Hinterbliebene in einem Abschiedsraum oder in der Kirche vom Verstorbenen. Dabei ist es gut, wenn der Sarg möglichst im Mittelpunkt steht. Dass die Tradition der Sargbeigaben, beispielsweise in Form von Briefen, gerade wieder auflebt, begrüße ich sehr, da so die persönliche Beziehung gewürdigt wird. Gerade, wenn man einen Menschen verliert, ist es wichtig, diese Liebe noch einmal ausdrücken zu können. Eine Grabbeigabe ist ein tröstliches Ritual, mit dem ich in einer Handlung ausdrücken kann, was mich erfüllt. Sozusagen eine kleine Hilfe gegen die Hilflosigkeit, die auch nicht religiösen Menschen offen steht. Denn der religiöse Mensch hat noch sein Gebet, um mit dem Verstorbenen in Verbindung zu bleiben.
Glücklicherweise stelle ich in meinen Seminaren für Bestatter fest, dass die Bedeutung des Abschieds am Sarg bekannt ist und auch geschätzt wird. Viele Angehörige fürchten sich davor, den Verstorbenen noch einmal zu sehen und haben Angst vor einer Art Trauma, wenn sie den geliebten Menschen als Leichnam sehen. Am weitesten ist das Argument verbreitet, man wolle den Menschen so in Erinnerung behalten, wie er war. Das bedeutet: lebendig. Der Tod lässt sich jedoch leichter realisieren, wenn man mit ihm konfrontiert ist. In der Regel sind die Hinterbliebenen froh und dankbar, den Rat ihres Bestatters angenommen und sich von ihrem Verstorbenen verabschiedet zu haben.