Tierbesitzer trauern anders (Interview mit Lea Schenker)

Tierbestatterin zu sein, ist für Lea Schenker eine Berufung. Sie ist davon überzeugt, dass Tieren der gleiche Respekt zusteht, wie uns Menschen – auch über den Tod hinaus. Ihr besonderes Engagement gilt Pferden. Sie dürfen in Deutschland erst seit diesem Jahr kremiert und bestattet werden.
 

Wie trauern Tierbesitzer?

Diejenigen, die zu mir kommen, sprechen sehr viel und offen darüber, wie sie sich an ihr Tier erinnern möchten. Ich bin froh, dass ich in der Tierbestattung bin, weil ich es nicht mit so vielen Regularien und Gesetzen zu tun habe und viel freier darin bin, individuelle Wünsche zu erfüllen: eine Urne für Zuhause oder Schmuckstücke mit eingearbeiteter Asche. Übrigens lassen sich auch sehr viele Tierbesitzer ein Trauertattoo stechen. Die Trauer um ein Tier ist ein relativ neues Forschungsfeld, das langsam mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und auch in der Veterinärmedizin bekommt. Die Ethik AG der Tierärztlichen Hochschule Hannover erforscht derzeit im Rahmen eines Buchprojekts die Erfahrungen mit dem Tod eines Haustiers. Eine sehr wertvolle Arbeit, da nicht alle Veterinäre sensibel mit den hinterbliebenen Tierbesitzern umgehen. Oft werden diese in ihrer Trauer und Hilflosigkeit völlig alleine gelassen und nicht immer darüber aufgeklärt, dass sie ihren tierischen Gefährten nicht einer Tierverwertungsanstalt überlassen müssen, sondern es die Möglichkeit einer Kremation und Bestattung gibt.
 

Woher kommt das Bedürfnis, ein Tier würdevoll zu bestatten?

Tiere sind heute Sozialpartner, Lebensgefährten, der nächste Bezug für viele Menschen. In einigen Partnerschaften ist das Tier seinem Herrchen oder Frauchen näher als mancher Mensch oder auch Mensch-Ersatz. Denn im Gegensatz zu einem menschlichen Partner enttäuschen Tiere nie. Vielmehr brauchen sie uns Zeit ihres Lebens. Die meisten Menschen kümmern sich gerne und ein Tier gibt viel zurück. Eine perfekte Symbiose, deren Ende in einer Tierverwertungsanstalt für viele unerträglich ist – ganz gleich, ob es um einen Hund, einen Wellensittich, einen Hamster oder ein Pferd geht. Die Liebe zu einem Tier misst sich nicht an seiner Größe.
 

Sie haben 2010 selbst um Ihren Hund getrauert und wussten damals noch nicht, dass es ein Krematorium für Tiere gibt.

Ich kannte es von Zuhause, dass Tiere im Garten begraben werden. Wer keinen Garten hatte, ließ sein Tier beim Tierarzt – meist ohne zu hinterfragen, was mit dem Tier geschieht. Einige Tierärzte beruhigen die Besitzer mit der Zusicherung, das Tier werde gemeinsam mit anderen Tieren verbrannt. Tatsächlich aber trifft diese Aussage nur auf die Reste zu, die nicht gemeinsam mit Schlachtabfällen und toten Nutztieren zu Fetten oder Klebstoffen verarbeitet werden können. Das ist in einem Haustierkrematorium ganz anders. Selbst bei anonymen Gemeinschaftsverbrennungen müssen die Tiere nebeneinander liegen und werden selbstverständlich auch nicht zerkleinert. Wer bei der Einzelkremation dabei sein möchte, kann dies natürlich auch gerne tun und in Ruhe Abschied nehmen.
 

Was ist Ihnen in Ihrem Beruf besonders wichtig?

Vertrauen, Menschlichkeit und Transparenz. Wenn die Tierhalter nicht bei der Einäscherung dabei sein können oder wollen, können sie immer bei uns anrufen, um zu erfahren, wo ihr Tier gerade ist und bekommen einen Nachweis, dass es sich bei der Asche tatsächlich um die Überreste ihres Tieres handelt. Der Preis spielt oft eine untergeordnete Rolle. Was zählt ist, wie wir den Menschen helfen.

Wir stellen klar in den Vordergrund, dass wir uns respektvoll um das Tier kümmern, aber vor allem um die Menschen, was natürlich oft miteinander einhergeht. Schon ab dem ersten Telefonat werden wir zu Vertrauten in der Trauer um das Tier und nehmen uns Zeit. Verstorbene Haustiere bekommen beispielsweise immer in ein Körbchen und eine Sternendecke. Wir klären die Menschen auf, was sie alles selbst machen dürfen: Briefe schreiben, Herzchen beschriften, mit ins Krematorium fahren und ihr Tier begleiten. Bei uns gibt es keine Schwebezustände, in denen der Mensch nicht weiß, wo sein Tier gerade ist. Alles ist zu jeder Zeit transparent. Wir fahren drei Mal die Woche ins Heimtier-Krematorium.

Dass wir auch Pferdebesitzer rund um die Bestattung betreuen dürfen, ist relativ neu. Anders als bei kleineren Tieren sind hier auch Größe, Gewicht und die Entfernung des Abholorts zum Pferde-Krematorium entscheidend. Hier gibt es große Qualitätsunterschiede, die bereits bei einem rein zweckmäßigen oder einem würdevollen Transport beginnen.
 

Warum äschern Sie Pferde in den Niederlanden ein und nicht in Deutschland?

Gemäß deutschem Recht durften Pferde bis 2017 nicht kremiert werden. Für die Abholung der Pferde nach Westerhout in Holland haben wir eine EU-Sondergenehmigung. Die deutschen Veterinärämter duldeten dies stillschweigend. Ich wollte jedoch diese Grauzone nicht mehr und habe gemeinsam mit Anwälten erwirkt, dass Pferde seit diesem Jahr auch in Deutschland kremiert werden dürfen. Bei Pferden ist vor allem die Ofengröße entscheidend, damit die Beine nicht an den Körper angelegt werden müssen. Der raumgroße Ofen in Westerhout hat eine Öffnung von 2,50 m. Das Pferd wird mit dem Rost angehoben, nicht hineingezogen. Allerdings ist das natürlich nicht die günstigste Lösung.
 

Sie sind Quereinsteigerin. Was ist das Schönste an Ihrer Arbeit?

Dass ich noch nach mehreren Monaten oder gar Jahren Nachrichten, Briefe und Dankesschreiben bekomme von Menschen, denen ich in der Trauer geholfen habe. Vorher wusste ich gar nicht, dass es so viele nette Menschen gibt. Ich bin eigentlich Tanzlehrerin und habe von der Tanzschule zunächst die Gastronomie und Veranstaltungen erhalten, bevor ich die Betriebe verkaufte und mich als Gastronomieberaterin selbstständig machte. Anfang 2012 war ich soweit, dass ich mich beruflich verändern wollte. Zwei Jahre zuvor war unser Hund gestorben – eine traumatische Erfahrung, da die Tierärztin offenbar nicht mit dem Tod umgehen konnte. Wir konnten Konrad nicht im Garten begraben, da die Erde seit Wochen gefroren war und erfuhren von der Möglichkeit, ihn einäschern zu lassen. Seine Asche bekamen wir schließlich in der Tierarztpraxis in einer billigen bunten Schachtel überreicht. Das musste auch anders gehen! Als ich bei meiner beruflichen Neuorientierung auf einen Tierurnen-Online-Shop stieß, der zum Verkauf stand, fiel der Groschen. Seitdem ließ mich das Thema Tierbestattung nicht mehr los. 2013 machte ich mich selbstständig – nicht ohne mir den Markt genau anzuschauen und meine Philosophie zu formulieren. Mittlerweile wächst das Unternehmen und auch mein Netzwerk, aus dem immer wieder neue Ideen und Kooperationen und bereichernde Kontakte entspringen.
 

Geht der Trend wie beim Menschen auch zur Feuerbestattung?

Eindeutig. Wir bieten gar keine Erdbestattungen an, sprechen aber Empfehlungen zur Umsetzung aus. Allerdings überwiegen die Anfragen nach Kremationen, insbesondere Einzeleinäscherungen, wenn das Tier zuhause erlöst wurde oder auf natürlichem Wege verstorben ist. Alternativ kommen wir in die Praxis oder Klinik, legen es ins Körbchen, decken es zu, trösten. Noch am selben oder am nächsten Tag nehmen wir die Tierhalter mit ins Krematorium. In einer Urne oder einem Gefäß bringen wir die Asche zu den Menschen nach Hause. Nun gilt es zu entscheiden: Soll die Urne zuhause bleiben, auf einem Tierfriedhof oder gar gemeinsam mit dem Herrchen oder Frauchen bestattet werden. 70 Prozent der Tiere bleiben im Wohnraum, obgleich der Gedanke viele erst einmal abschreckt, sind sie froh, ihr Tier so bei sich behalten zu können und sich etwa gegen eine Verstreuung entschieden zu haben.
 

Welche Urnen sind besonders gefragt?

Herzen! Manchmal mit, aber auch ohne Pfötchen, sodass man das Objekt ebenso wenig als Urne erkennt, wie eine Bilderrahmenurne, hinter denen die Asche angebracht ist. Natürlich lassen wir auch individuelle Urnen anfertigen. Über die Möglichkeiten sind die Halter oft ganz erstaunt. Bei einem Gespräch kam ein älterer Herr einmal mit einer ausrangierten Thermoskanne und entschied sich letztlich doch für ein kleines dekoriertes Holzkästchen.
 

Gibt es spezielle Trauerrituale?

Die können ganz individuell sein. Einer meiner Kunden hat mit seinem verstorbenen Pony viele Wanderausritte unternommen und verstreut nun nach und seine Asche auf diesen Wegen, begleitet von seinem Hund.
 

Zur Webseite: lea-schenker.de

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